There’s No Tomorrow Open Air 2013
Kilianeum Würzburg, 22.06.2013
Bericht: Astrid Benitsch
Fotos: Martin Dannehl
Rotovathor
A Secret Revealed
Apokrypha
Heretoir
Eis
Agrypnie
Helrunar
Eine ungewöhnliche Location, perfektes Wetter und günstige Verpflegungspreise, dazu ein Line-Up, das sich sehen lassen kann für gerade einmal fünf Euro Eintritt – eigentlich gibt es kaum eine Ausrede, dass TNT Open-Air in Würzburg nicht zu besuchen. Die Veranstaltung wird von Fans für Fans organisiert und – mag es auch ziemlich skurril anmuten – von der katholischen Kirche mitfinanziert. Das Kilianeum, ein früheres Benediktinnerinnenkloster und später als bischöfliches Knabenseminar und Internat genutzt, befindet sich nämlich in kirchlicher Trägerschaft und beherbergt unter anderem eine Kapelle und Räume der Diözese Würzburg. Kirchliche Jugendarbeit besteht also mitnichten nur aus Bibelkreisen und Wallfahrten.
Nach und nach erst trudeln die Zuschauer ein und machen es sich zunächst auf den Bänken im Innenhof gemütlich. ROTOVATHOR spielen also vor recht überschaubarem Publikum, allerdings lässt sich das Trio nicht davon stören und verteilt sogar obskure alkoholische Getränke an die Fans. Leider kommt das Viking / Black Metal-Gemisch der Hessen kaum zur Geltung, da die Band mit technischen Problemen zu kämpfen hat und mehrere Stücke abbrechen muss. Auch die nur halbstündige Spielzeit kann deswegen leider nicht voll ausgenutzt werden. Applaus gibt es für das tapfere Trio natürlich trotz der widrigen Umstände.
Wenn man an Würzburg und Metal der extremeren Gangart denkt, kommt einen wahrscheinlich ziemlich schnell DER WEG EINER FREIHEIT in den Sinn. Wohl hauptsächlich aufgrund der Optik der Band, die allein schon dazu geeignet ist die Szenepolizei auf den Plan zu rufen, möchte man SECRET REVEALED in eine Schublade mit ihren schwarzmetallischen Kollegen stecken. Allerdings gehen die Würzburger wesentlich langsamer und melodischer zu Werke und mischen auch Coreanleihen und postrockige Elemente in ihren Sound. Weniger modern, dafür wundervoll angepisst klingt der Kreischgesang, zum Glück verzichtet der Fünfer hier auf Experimente. Das Publikum dankt mit mit kreisenden Häuptern und mehr als nur wohlwollendem Applaus.
Neben den Jungspunden von A SECRET REVEALED wirken die ebenfalls aus Würzburg stammenden APOKRYPHA fast wie Veteranen. Wesentlich brachialer geht der Vierer zu Werke, die Musik kann man am ehesten als Symbiose aus Black-, Death- und Thrash Metal klassifizieren. Die vielen Jahre Erfahrung und die unzähligen gespielten Gigs machen sich natürlich positiv bemerkbar: Routiniert und lässig holzen sich die Würzburger durch eine Auswahl ihrer Veröffentlichungen, natürlich kommt auch die Im Frühjahr erschienene EP
„Procession“ nicht zu kurz. Unterstützt werden die Würzburger am Schlagzeug durch den gutgelaunten Portugiesen João Colaço und können sich eines regen Zuspruchs erfreuen, gerade die brachialen Riffs animieren nicht wenige Besucher zum ausgelassenen Headbangen.
Bei HERETOIR geht es dann ruhiger und atmosphärischer zu, allerdings schlägt sich das nicht negativ auf die Publikumsreaktionen nieder. Durch die gemeinsame Tour mit AGRYPNIE und DER WEG EINER FREIHEIT im Frühjahr konnte das Quartett quer durch die Republik neue Hörer gewinnen, auch heute dürfte es nicht anders sein. Gleich beim Opener „Eclipse“ gibt es stimmliche Unterstützung von AGRYPNIE-Frontmann Torsten, der begeistert aufgenommen wird, desweiteren „Graue Bauten“ vom selbstbetitelten Debüt und sogar „Wiedersehen – Unsere Hoffnung“ vom Split mit THRÄNENKIND. HERETOIR wirken live wesentlich weniger postrockig und – trotz Davids entrückt wirkenden klaren Gesanges – auch weniger melancholisch als auf Albumlänge. Gerade das Instrumental „Inhale“ wirkt so unglaublich stark, und nicht wenige Zuschauer werden wohl ungeduldig auf ein neues Album warten.
Tja, EÏS haben heute etwas Pech mit der Technik. Gerade als sich die Band – atmosphärisch wirkungsvoll in Szene gesetzt beim Intro zu „Mann Aus Stein“ – auf ihren Einsatz vorbereitet, kratzt das Intro einfach ab. Was auf der Bühne für verdutze Gesichter und im Publikum für Gelächter sorgt, wird mit lockeren Sprüchen kommentiert und sorgt für eine lockere, gelöste Stimmung, „Mann Aus Stein“ funktioniert freilich auch ohne Intro bestens.
Überhaupt: Egal, ob es sich um Songs der aktuellen Scheibe „Wetterkreuz“, dem nautischen Meisterstück „Galeere“ bis hin zu älteren Stücken wie „Kainsmal“ oder „Winters Schwingenschlag“ handelt, alles wird begeistert aufgenommen. Als besonderes Schmankerl bekommt Würzburg heute die Live-Premiere von „Am Abgrund“ zu hören, auch Alboins Wanderung quer durch das Publikum zu „Bei Den Sternen“ überrascht die Zuschauer. Der mit den Worten: „Dieser Song handelt von einer versunkenen Stadt!“ angekündigte Titel handelt übrigens nicht von Passau (auch wenn das zugegebenermaßen eine Steilvorlage für das sowieso schon amüsierte Publikum war), sondern „Helike“. Nach der lautstark geforderten Zugabe „Durch Lichtlose Tiefen“ verlassen EÏS dann die Bühne, zufriedener als die Band dürften sich eigentlich nur die Besitzer der streng limitierten Pseudo-Setlist fühlen.
Jetzt ist es schon Zeit für den Co-Headliner: AGRYPNIE reißen wie gewohnt Das Publikum schon von der ersten Minute an mit. Die Kombination von „Der Tote Trakt“ und „Kadavergehorsam“ zwingt das Publikum förmlich zum Mitbangen und hebt die Stimmung auf ein Niveau, die im weiteren Verlauf des Konzertes auch nicht wieder abflacht. Mit Frontsau Torsten als Dreh- und Angelpunkt der gesamten AGRYPNIE-Show zeigen auch seine Mitstreiter vollen Einsatz. Und – wie sollte es auch anders sein – bleiben auch die Mainzer nicht von technischen Problemen der Kategorie „Unser Bass-Amp explodiert gleich“ verschont. Natürlich kommt auch die aktuelle Langrille „Aetas Cineris“ nicht zu kurz, leider gibt es kein Stück vom Debüt oder von „Exit“ zu hören. Für viel Freude sorgt allerdings „Augenblick“ von der „Asche“ EP. Wie immer müssen AGRYPNIE bei der Songauswahl Kompromisse machen, allen kann man einfach nicht gerecht werden. Trotzdem bleibt nach „Asche“ und dem obligatorischen Applaus-Zugabe-Spiel ein rundum zufriedenes Publikum zurück.
In der zweitlängsten Nacht des Jahres genießen HELRUNAR das Privileg, komplett bei Dunkelheit spielen zu dürfen. Und das passt auch zum urgewaltigen, kalten und majestätischen Sound der Westfalen.Trotz der modernen Themen werden noch immer tief verwurzelte mythologische Bilder verwendet, diese Vorgehensweise ist ziemlich einmalig und weit entfernt von der metseligen, peinlichen Germanentümelei vieler Bands, die gemeinhin als Pagan Black Metal bezeichnet werden. Auch wenn den Münsteranern heute die Zeit im Nacken sitzt (Mitternacht sollte Schicht im Schacht sein), bleibt noch etwas Zeit für einen kleinen Plausch mit den Fans. Wirklich positiv an einer HELRUNAR-Headlinershow ist, dass neben der aktuellen Scheibe „Sól“ auch das sonst ziemlich vernachlässigte „Baldr Ok Íss“ und das Debüt „Grátr“ angemessen berücksichtigt werden. Natürlich, die Fans lieben „Aschevolk“, „Kollapsar“ und auch die fette „Nebelspinne“, das merkt man ganz deutlich, aber „Schwarzer Frost“ und „Ich bin Die Leere“ lassen dann einfach keine Wünsche mehr offen. Zeit zum Ausruhen bleibt ohnehin nicht, Sänger Skald D. führt gestenreich durch das Programm, in dem das Ringen mit der deutschen Identität ebenso seinen Platz hat wie die Feststellung, dass ohne „Älter als Das Kreuz“ wohl keiner den Heimweg antreten möchte. Als Zugabe gibt es noch „Glámr“, dann verabschieden sich HELRUNAR vom sichtlich zufriedenen Würzburger Publikum.
Eigentlich kann man dem Veranstalterteam nur zu so einem gelungenem Festival gratulieren und im gleichen Atemzug für den Einsatz danken. Bei ca. 600 Besuchern sollte einer Fortsetzung im Jahr 2014 auch nichts im Wege stehen.An den wenigen Kritikpunkten des Vorjahres hat man konsequent gearbeitet: Sorgte das System mit den Bierpässen zunächst für etwas Verwirrung, half dann aber, Wartezeiten an der Essens- und Getränkeausgabe zu verringern. Vorbildlich auch die Ausweiskontrolle am Einlass. Kurzum: Ein stimmiges Gesamtpaket, Fortsetzung einstimmig erwünscht! Bis 2014, Würzburg!