Apr 082013
 

Weiter geht’s mit den ersten 7 Bands, welche auf dem Ragnarök am Freitag spielten.

14.20- 14.50 ABINCHOVA
15.00- 15.30 NOTHGARD
15.40- 16.10 HELLRIDE
16.20- 17.00 DARKEST ERA
17.10- 17.50 WINTERSTORM
18.00- 18.45 AVA INFERI
18.55- 19.40 DER WEG EINER FREIHEIT

Text: Astrid Benitsch
Fotos: Martin Dannehl

Auch am Freitag wird das Wetter nicht besser, zu den niedrigen Temperaturen gesellt sich auch noch ein unangenehmer Wind. Ungemütlich und kaum geeignet, um mit Bier und Grillfleisch im Campingstuhl zu liegen. So ist es auch kein Wunder, dass zu Beginn der Show eine ansehnliche Menge Besucher vor der Bühne versammelt hat.

Das kommt ABINCHOVA natürlich zu Gute.Immer die recht knapp bemessene Zeit im Nacken, starten die Schweizer gleich mit ‘Hörensagen’ durch und können mit folkigen Melodien und donnernden Gitarrenriffs punkten. Auch der gekonnte Einsatz von Flöte, Keyboard und weiblichen Klargesang weiß zu gefallen, somit hat die Band zu so früher Stunde ein dankbares und begeistertes Publikum vor sich. Wo andere Opener vor einer handvoll Leuten spielen müssen, können ABINCHOVA aus dem Vollen schöpfen. Dafür revanchiert man sich mit einer energiegeladenen Show und kann sich sicher sein, auf einigen Wunschzetteln ganz weit oben zu stehen. Gelungener Einstand!

Die im Anschluss spielenden NOTHGARD sind weitaus weniger folkig, dafür auf brachiale Gitarrenarbeit mit sage und schreibe drei Gitarren fixiert. Das nennt sich „Epic Melodic Death Metal“, klingt aber so, wie man sich Pagan Metal gemeinhin vorstellt: als passenden Soundtrack, um in Valhalla zünftige Gelage zu feiern, sich mit anderen Kriegern im Armdrücken zu messen und Walküren aufs Hinterteil zu klatschen. Zu Songs wie ‘Under the Serpent Sign’ kann man wunderbar schunkeln, ‘Ragnarök’ ist zu diesem Anlass schon fast Pflicht. Auch wenn die Stimmung im Vergleich zu Abinchova etwas abfällt, können die Deggendorfer doch einen soliden Auftritt abliefern.

Stichwort: Metal ohne Gitarren. Apocalyptica? Van Canto? Nein, HELLRIDE sind das Kontrastprogramm des diesjährigen Ragnarök. Kein Schlagzeug, dafür zwei Akkustikgitarren und viel Stimme. Funktioniert das? Wie so oft bei solchen Experimenten sind es die Coverversionen, die das Ganze interessant machen. ‘Heaven and Hell’ von Black Sabbath beispielsweise klingt sehr interessant, auch die Performance ist stimmig. Eigene Kompositionen wie zum Beispiel ‘Ride to Hell’ hingegen bringen so manchen Publikumsbesucher zum Grübeln. Abgesehen von den musikalischen Qualitäten, die HELLRIDE zweifelsohne besitzen-ist das Metal? Darüber hinweg gesehen ist die Stimme von Tommy Klossek eine wohltuende Abwechslung zu den doch recht guttural ausgeprägten üblichen Gesangstechniken.

Guttural? Auch bei DARKEST ERA wird klar gesungen, auch wenn die Iren ganz klar auf metallischen Pfaden wandeln. Mit ihrem Debüt “The Last Caress Of Light” haben sie 2011 einigen Staub aufwirbeln können. Auch wenn man über die zunehmende Zersplitterung von Genrebezeichnungen schmunzeln mag: „Celtic Metal“ passt in diesem Fall zum Sound der Band wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer. Man mag entfernt an Thin Lizzy, aber natürlich an Primordial oder Cruachan denken, allerdings nicht, weil DARKEST ERA diese Bands kopieren, sondern einfach weil man die Einflüsse traditioneller irischer Musik wie bei den genannten Bands deutlich wahrnehmen kann. Dezente Anleihen an Bathory kann man ebenfalls nicht von der Hand weisen und runden den Eindruck angenehm ab. Mit Songs wie ‘On the Crest of Doom’ oder ‘The Morrigan’ kann man den Publikum ordentlich einheizen und unter Beweis stellen, dass Musik von der grünen Insel nicht zwangsläufig Flöten und Geigen beinhalten muss, um absolut authentisch zu klingen.

Einmal in Feierlaune, kann es gleich mit WINTERSTORM weitergehen. Im Bereich Power Metal gibt es im Gegensatz zu anderen Szenen, die Nachwuchsbands im Überfluss produzieren ein recht überschaubares Kontingent an neuen, hoffnungsvollen Kapellen. So konnten WINTERSTORM schon mit ihrem Erstlingswerk „A Coming Storm“ auf sich aufmerksam machen, um mit „Kings Will Fall“ endgültig restlos zu begeistern. Auch auf der Bühne kann der Fünfer überzeugen. Mitmach-Metal ist angesagt! Wie in diesem Genre üblich, prägen auch bei WINTERSTORM hymnische Männerchöre die Refrains. ‘The Stormsons’ kann bald jeder Mitsingen, ‘Winterhumppa’ von Debüt gibt es extra in der Black/Death Metalversion (Korpiklaani lassen grüßen) und ‘Into the Light’ kann mit mit einem 80er-Jahre-Stadionrock-Keyboard begeistern. Super Auftritt!

Ruhiger hingegen wird es dann mit AVA INFERI. Rune Eriksen dürfte vielen Metalfans noch unter dem Pseudonym Blasphemer der norwegischen Mayhem ein Begriff sein. Wie nicht anders zu erwarten ist, überzeugen die Songs mit Vielschichtigkeit und kompositorischer Raffinesse, stimmlich abgerundet durch den bezaubernden Gesang von Carmen Susana Simões. Bedeckt mit einem durchsichtigen Schleier, kann sie auch optisch überzeugen: mit beschwörenden Gesten oder entrückt tanzend verleiht sie dem Gothic Doom Metal der Band ein unverwechselbares Gesamtbild, das sich sehr von ähnlich ausgerichtet Kapellen unterscheidet. Darin mag auch ein kleiner Nachteil liegen: da das anspruchsvolle Material der Band kaum Ohrwurmcharakter aufweist, wird es vielen der Anwesenden schnell langweilig und die Spielzeit der Band wird zum Bierholen, Rauchen oder Ähnlichem genutzt.

Jetzt wird es endlich mal Zeit für eine Breitseite Black Metal, denkt sich der geneigte Hörer umd dem entsprechend ist es bei DER WEG EINER FREIHEIT proppenvoll bis auf die Tribüne. Auf der Tour mit Agrypnie und Heretoir hat sich bereits gezeigt, dass Nikita die Doppelbelastung Gitarre/Gesang bestens meistert. Auch heute erntet der Vierer wieder ordentlich Beifall, der alle Diskussionen um die Band, die fernab der Bühne in Internetforen und unter Youtube-Clips ausgetragen werden, verblassen lässt. Gerade das Instrumental ‘Nachtsam’ reißt die Zuschauer mit, ‘Zerfall’ und das abschließende ‘Neubeginn’ wissen ebenso zu begeistern.Wirklich gesprächig ist Nikita zwar immer noch nicht, aber eine Dreiviertelstunde Spielzeit kann man wahrlich besser nutzen, gerade wenn man mit Songlängen jenseits der Siebenminutengrenze aufwartet. Für geneigte Hörer hat die Band übrigens Instrumentalversionen der „Unstille“ Songs auf ihrer Homepage zum kostenlosen Download bereitgestellt. Eine sehr noble Geste, wenn man bedenkt dass es sich beim Album um das aktuelle Release handelt.

Ragnarök 2013

Ragnarök 2013 – Freitag Teil 1

Mrz 102013
 

„Aetas Cineris“ Tour 2013

Agrypnie, Der Weg einer Freiheit, Heretoir
6. März 2013, Leipzig Moritzbastei

Tja, es ähnelt fast einem Marathon, was sich AGRYPNIE und ihren Mitstreitern auf ihrer ersten Headliner Tour zumuten: zehn Shows in zehn Städten an zehn Tagen, dazu Nächte im Nightliner, der auch liebevoll „Bazillenbus“ genannt wird und kränkelnde Bandmitglieder, die in ihrer knappen Zeit auch noch Tourtagebuch führen und sich tätowieren lassen – das klingt fast wie das Drehbuch für eine dieser Scripted Reality Serien im Fernsehen. Doch die vergangenen fünf Tage haben sich gelohnt: Einige ausverkaufte Shows, immer fantastische Stimmung und jede Menge positive Rückmeldungen von seiten der Fans lassen alle Strapazen nebensächlich erscheinen. In Leipzig hat man mit der Moritzbastei einen Veranstaltungsort gefunden, der seinesgleichen sucht: ein Club in den Resten der alten Stadtfestung, der nicht nur stimmungstechnisch, sondern auch mit vorbildlichem Catering punkten kann. Und während man noch Backstage die Wandkritzeleien begutachtet („hier gibts viel weniger Pimmel als in Oberhausen!“) beginnt sich das Gewölbe mit Fans zu füllen.

So können HERETOIR dann auch pünktlich vor gut gefüllter Halle beginnen. Ursprünglich als Soloprojekt von David „Eklatanz“ C. gegründet, erhält er seit 2010 Unterstützung von Mathias „Nathanael“ (u.a. Thränenkind). Spätestens nach dem Einstieg beider Musiker bei AGRYPNIE sollten auch HERETOIR den Hörern postigen Black Metals ein Begriff sein, und diese Tour ist die ideale Gelegenheit, Unentschlossene akkustisch zu überzeugen. Und auch Hörer, die schon mit der Band vertraut sind, werden überrascht: mit ‚Eclipse‘ wird gleich ein noch unveröffentlichter Song gespielt, bevor man mit ‚graue Bauten‘ und ‚Fatigue‘ einen Bogen zum Debut zieht. Stiltechnisch typische überlange Songs, entrückter klarer Gesang und ruhige Akkustikparts, verwoben mit post-rockigen Gitarrenspiel und verzweifelten Schreien ziehen das Publikum in ihren Bann. Man fühlt sich sich an Szenegrößen wie Alcest erinnert, freilich ohne die shoegazelastigen Auswüchse der letzten Veröffentlichung. Auf der Bühne agiert man der Musik entsprechend leicht introvertiert, aber keinesfalls statisch, im Gegenteil, die David flankierenden Musiker müssen sich vor seinen wirbelnden Dreads in acht nehmen. Ruhig gesprochene Überleitungen zwischen den einzelnen Songs verstärken die Stimmung im Publikum weiter, und nach ‚Wiedersehen-unsere Hoffnung‘ vom Split mit Thränenkind und ‚Heretoir‘ vom Erstling schließt sich mit ‚Inhale‘ der Kreis. Dieses Instrumental vom kommenden Album beweist noch einmal das Können der Band und und zeugt von ihrem Willen zur Weiterentwicklung, und unter tosendem Beifall kann man die Bühne verlassen. Auch der anschließende Sturm auf den Merchstand beweist, dass HERETOIR heute zahlreiche neue Zuhörer gefunden haben.

So mancher der Anwesenden ist nach den jüngsten Entwicklungen im Hause DER WEG EINER FREIHEIT ziemlich gespannt auf den Auftritt der Würzburger. Nach Tobias‘ Ausstieg Ende 2012 war es kurze Zeit unklar, wer den nun vakanten Posten am Mikro übernehmen wird. Um so überraschender ist es für die meisten, dass Bandgründer Nikita den Gesang in Zukunft neben seiner Gitarrentätigkeit ausüben wird. Aber gleich beim Opener ‚Ewigkeit‘ wird klar: nennenswerte Abstriche beim Gesang gibt es keine. Im Gegenteil, Nikita meistert die Doppelbelastung mit Bravour, und selbst wenn man Tobias etwas gesprächiger in Erinnerung hat, tut das der Stimmung keinen Abbruch. Schließlich benötigt diese Art von Musik keine große Worte oder verbale Lückerfüller zwischen den Songs. Zunächst verweilt man mit dem pfeilschnellen ‚Lichtmensch‘ und dem darauf folgendem Instrumental ‚Nachtsam‘ beim letztjährigen Release „Unstille“.Gerade das l angsamere Instrumental erzeugt eine unglaubliche Atmosphäre, die sich in den Publikumsreaktionen wiederspiegelt. Ob exstatisch bangend oder nur mit geschlossenen Augen wiegend: DER WEG EINER FREIHHEIT lassen die wenigsten ungerührt. Davon zeugen Beifall und begeisterte Zwischenrufe. Nach einem kurzen Abstecher zur EP „Agonie“ (‚der stille Fluss‘, ‚Posthum‘) liegt der Fokus wieder auf „Unstille“, bevor man mit dem zum Abschluss sehr passenden ‚Neubeginn‘ den Auftritt beendet. Bei allen Diskussionen um diese Band sollte man eines bedenken: Black Metal kann und darf nicht ausschließlich in den Neunzigern verhaftet sein, und DER WEG EINER FREIHEIT zeigen auf, wie eine Facette des modernen Black Metal aussehen kann. Musik berührt einen-oder eben auch nicht. Allein danach sollte man seine persönlichen Entscheidungen treffen, nicht etwa nach Ideologie oder Optik der Band.

Oje, viel Zeit zum Erholen hat man nicht zwischen den Bands. AGRYPNIE müssen zwar auf Keyboarder Flange verzichten, der aus gesundheitlichen Gründen pausieren muss, wirken aber hochmotiviert. Ebenso das Publikum: Als Frontmann Torsten bei den ersten Klängen von ‚der tote Trakt‘ die Bühne betritt, strecken sich ihm bereits dutzende Hände entgegen, es wird kollektiv gebangt, gebrüllt und geklatscht. Das anschließende ‚Kadavergehorsam‘ wird ebenso abgefeiert. Mit ‚Trümmer‘ folgt dann der erste Song vom neuen Album „Aetas Cineris“, und obwohl kaum einer der Anwesenden viel Gelegenheit hatte, sich in das Album einzuhören, schlägt der Song ein wie ein Bombe und wird nicht weniger stark bejubelt. Und obwohl Torsten noch mit einer Erkältung kämpft , David und Mathias heute zum zweiten Mal auf der Bühne stehen: Abnutzungserscheinungen kann man nicht feststellen. Im Gegenteil, auch auf der Bühne schont man sich nicht. Nach dem frenetisch beklatschten ‚Schlaf‘ folgt mit ‚Zurück‘ ein weiterer Song vom neuen Album, bevor man bei ‚0545 ‚ wenigstens den Hauch einer Chance hat, den strapazierten Nacken zu entspannen. AGRYPNIE schaffen es spielend leicht, das Publikum zum Feiern zu animieren. Das ist schon aus dem Grund ungewöhnlich, da AGRYPNIE viel zu anspruchsvolle Musik und Texte erschaffen, die sich kaum zum betrunken Mitgröhlen eignen, sondern eher zum Nachdenken und Erkennen anregen. Vielleicht ist es gerade die Mischung aus ausdruckstarken, progressiven Black Metal, melancholischen Texten und der Authentizität der Künstler, die die Ausnahmestellung der Band in der deutschen Szene bedingen. Auch Torsten eloquente Art bei Liveauftritten trägt dazu bei: Den Ruf eines Fans nach ‚Und Pan spielt die Flöte‘ kontert er charmant mit „Der war gut, aber wie würdest du schauen, wenn wir das jetzt spielen würden?“ und erntet dafür mächtig Applaus. Den meisten Konzertbesuchern ist der Running Gag mit Pan von Nocte Obducta Konzerten geläufig, so kann man jede Menge grinsende und feixende Gesichter sehen. Als man nach der abschließenden Zugabe und einem Erinnerungsfoto die Bühne verlässt, kommt man nicht umhin, Leipzig als eines der Highlights dieser Tour zu sehen. Genug Motivation also, um die verbleibenden vier Tourtage duchzustehen.

So bleibt auch kaum die Notwendigkeit für große abschließende Worte, nur ein Hinweis. Wer die Tour verpasst hat und sich darüber ärgert , kann alle drei Bands noch auf dem Ragnarök Festival sehen. Also Tickets sichern und auf nach Lichtenfels!

Text: Astrid Benitsch

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